Chile ist die perfekte Kulisse für einen unvergesslichen Roadtrip – egal, ob das Land unter einer Wolkendecke liegt oder in sengender Sonne schmort. Wir haben es in einem Mazda CX-5 mit Allradantrieb erkundet.
Auf halbem Weg zum Gipfel des Vulkans Villarrica blicke ich zum Himmel hoch. Er scheint wie aus Rosa-, Orange-, Violett- und Blautönen gemalt. Unter mir sehe ich drei glitzernde Seen, die wie silberne Bänder die Täler durchschneiden. Direkt hinter mir allerdings verschwindet die Spitze des aktiven Vulkans in einer Wolke, die allmählich nach unten kriecht und nach und nach die orangen Sessel des Skilifts verschluckt. Rasch fällt die Temperatur. Wir befinden uns in Chile, einem Land geografischer Extreme. Und in diesem Augenblick werden hier alle vier klassischen Elemente – Erde, Feuer, Wasser und Luft – spürbar.
Das Land ist ein 4.300 Kilometer langer Küstenstrich, eingezwängt zwischen dem Pazifik im Westen und den Anden im Osten. Jährlich lockt die unwirkliche Landschaft Unmengen Touristen aus aller Welt an. Viele reisen von Santiago aus nach Norden zur Atacama-Wüste. Wir wollten jedoch in die Seenregion im Süden, wo Klima und Landschaft nicht gegensätzlicher sein könnten.
Vor ein paar Tagen sind wir deshalb in der Universitätsstadt Temuco eingetroffen, in der einst Nobelpreisträger Pablo Neruda lebte. Wir holen hier unseren Begleiter für die nächste Woche ab, einen Mazda CX-5 in Matrixgrau Metallic. Als wir zu unserem Hotel in Pucón fahren, ist der Himmel grau und die idyllische Landschaft eben. Doch allmählich geht die Straße in sanfte Kurven über, bewaldete Vorhügel ziehen vorbei und zu unserer Linken erspähen wir den Villarrica-See.
Bei unserer Ankunft am Hotel tröpfelt der Regen weiter träge vor sich hin. Wir wissen, dass hier irgendwo ein Vulkan sein muss, aber sehen können wir ihn nicht. Also gönnen wir uns ein Essen und ein Glas chilenischen Pisco Sour, bevor wir uns zum Schlafen zurückziehen.
Am nächsten Morgen öffne ich die Vorhänge und werde von einem strahlend blauen Sonnenhimmel begrüßt. Direkt vor mir ragt der Vulkan Villarrica auf, still vor sich hin rauchend und von grünen, zerklüfteten Hügeln stumm bewacht. Das Tüpfelchen auf dem i aber ist der Riesenkolibri, Patagona gigas, der direkt unter meinem Balkon mit schwirrenden Flügeln Nektar aus den Blüten nascht. Es ist erst 7 Uhr morgens, ich habe noch nicht einmal mein Zimmer verlassen und kann bereits zwei Punkte von meiner Wunschliste für Chile abhaken. Exotische Vögel? Häkchen. Vulkan? Häkchen. Was wird heute wohl noch kommen?
Wir können es kaum erwarten zu starten, beladen den CX-5 in Windeseile und machen uns auf den Weg. Aufgeregt steuern wir schnurstracks auf den Vulkan zu, denn es ist nicht sicher, ob wir bei unserem Aufenthalt noch einen so klaren Tag erleben werden. Die Asphaltpiste steigt zunächst stetig an, um schließlich in eine Schotterpiste überzugehen, wodurch die Bedingungen doch wesentlich harscher werden. Für unseren Allrad-Mazda aber ist das kein Problem, er gleitet förmlich über die Steine, sodass wir den Blick auf den vor uns aufragenden schneebedeckten Vulkangipfel entspannt genießen können. Je höher wir kommen, desto stärker beginnt sich die Straße in unübersichtlichen Kurven zu winden. Wir bemerken die bewundernden Blicke der Einheimischen in ihren Pickup-Trucks und fahren so weit wir können, bis wir ein Plateau erreichen.
Hier holen Guides die Wanderer ab und führen sie zum qualmenden Gipfel, allerdings nur, wenn Zeit und Bedingungen es erlauben. Es dauert mindestens acht Stunden, um auf die 2.847 Meter hinauf und zurück zu kommen – und auch nur dann, wenn man topfit ist. Also teilt man uns mit, dass man vor Tagesanbruch aufbrechen muss. Fürs Erste genießen wir daher nur den großartigen Ausblick und begeben uns dann wieder zum Auto, um mehr vom Villarrica-Nationalpark zu sehen.
Wir kommen an etlichen Straßenhunden vorbei, die uns anstandslos vorbeilassen, ohne dass ein Hupen erforderlich wäre. Nach etwa 40 Minuten Fahrt, in denen wir unseren Soundtrack genießen, rufen wir im Chor „Wow!“: Vor uns ragt über in Herbstfarben getauchten Hügeln der Lanin auf, ein weiterer Vulkan mit Schneekappe. Im Gegensatz zum Villarrica ist er inaktiv, was ihn jedoch nicht weniger eindrucksvoll macht.
Angesichts des atemberaubenden Panoramas um uns herum fahren wir euphorisch die ansteigende Straße entlang. Der Mazda CX-5 schluckt souverän jede Spitzkehre. Wir kommen an einem kleinen See vorbei, während ein Adler über uns schwebt. Hier, nur zehn Kilometer von der argentinischen Grenze entfernt, halten wir an, um den majestätischen Lanin in seiner ganzen Schönheit zu genießen. Vor uns ragen Affenschwanzbäume in den Himmel. Als wir spätabends zum Hotel zurückkehren, rätseln wir bereits, womit uns Chile wohl am nächsten Tag verwöhnen wird.
Es ist kein Wunder, dass die meisten Menschen, mit denen wir sprechen, die Region Araucania nie verlassen würden. Viele sind als Urlauber oder Studenten aus Santiago und anderen Städten gekommen und nie wieder zurückgekehrt. Zu ihnen gehören auch Paula Carrasco und Andres Bozzolo Openshaw. Eine gemeinsame Leidenschaft für Freiluftsport führte die beiden zusammen. Sie beide stammen nicht aus Pucón, doch wegen der frischen Luft, des gesunden Lebensstils und ihrer jeweiligen Partner, die sie hier fanden, sagten sie dem hektischen Stadtleben für immer Adieu. Wir stehen am leeren Strand des Lago Caburgua auf schwarzem Sand und sehen ihnen zu, wie sie im frühen Morgennebel mit ihren Kajaks auf den völlig stillen See hinausfahren.
Es ist Herbst in Chile. „Im Sommer ist der Strand hier und in Villarrica voller Leute“, erzählt Andres. Paula dagegen verrät uns, dass in ein paar Wochen die Zeit kommt, auf die sie sich am meisten freut, da der Regen bis dahin die Flüsse mit Wasser gefüllt hat. Das Wildwasser-Kanufahren ist ihr Ding, und sie zeigt uns Anfängern, wie das geht. „Manchmal habe ich Angst, es kann durchaus gefährlich werden“, gibt sie zu, lacht dann aber und meint: „Aber das Gefühl, wenn man schließlich den Bogen raus hat, ist einfach himmlisch.“
Pucón ist ein Paradies für Outdoor-Fans. Die Stadt hat den Charme eines Skiresorts mit vielen guten Restaurants und Geschäften, in denen es Allwetterkleidung und Outdoor-Ausrüstung zu kaufen gibt. Am Abend essen wir im Restaurant Trawen, das Andres Frau gehört. Alle Zutaten sind regional und überwiegend biologisch. Wir genießen hervorragende Empanadas. Andres und seine Frau Pamela Yolito sind ein geschäftstüchtiges Paar und haben sich der Förderung eines nachhaltigen Ökotourismus in der Gegend verschrieben. Ihr neuestes Projekt ist der Bau von Hütten in den nahe gelegenen Bergen. Dort will Andres im Winter Abenteuerlustige einquartieren. Er führt außerdem Gruppen zum Gipfel des Vulkans Villarrica. Sobald man den Schnee dort erreicht, verrät er uns, braucht man Steigeisen, Eispickel und eine Atemmaske, die vor den giftigen Schwefeldämpfen des Vulkans schützt. „Nach spätestens zehn Minuten dort oben muss man schnellstens wieder weg“, warnt er uns. Als sei der zermürbende Aufstieg nicht schon genug.
Am nächsten Morgen hängen die Wolken wieder tief, und es regnet. Viel. Wenn wir schon nass werden, dann wenigstens mit Stil. Also fahren wir zu den Termas Geométricas, die zu den größten Warmwasserquellen der Welt gehören. Die letzten sieben Kilometer dorthin führen über einen schmalen, unbefestigten Weg. Er windet sich einen tobenden Fluss entlang, der uns zuweilen etwas zu nahe kommt. Doch auch diese Herausforderung bewältigt der Mazda CX-5 mühelos.
Mitbesitzer Matías del Sol erzählt mir vom beschwerlichen Bau der 17 Thermalbäder. 50 Beschäftigte mussten den Fluss viermal umleiten, um Zugang zum heißen Wasser zu bekommen, es vom kalten zu trennen und die Bäder zu bauen. Vor allem aber mussten alle Arbeiten von Hand erledigt werden, einschließlich des Baus der Straße, auf der wir hierhin fuhren.
Die Holzbrücken zu den Pools sind knallrot und wirken wie Rahmen um ein Gemälde, nur dass hier die Natur das Kunstwerk ist. Das 35 Grad warme Wasser und das Rauschen des Flusses unter uns machen uns schläfrig, ein kurzer Ausflug unter den eiskalten Wasserfall dafür umso wacher.
Es regnet noch immer heftig, als wir aufbrechen. Deshalb machen wir einen Umweg zum Hotel Antumalal an einer Hügelflanke oberhalb des Lago Villarrica. Das ultracoole, vom Bauhausstil beeinflusste Boutique-Hotel sieht noch genauso aus wie bei seinem Bau Ende der 1940er-Jahre. Wir fühlen uns wie im exklusiven Schlupfwinkel eines James-Bond-Schurken. Ich sitze vor dem Kaminfeuer, trinke einen Cortado und plausche mit Martin Araneda Mayenberger. Er hat sich auf nachhaltigen Erholungstourismus spezialisiert und will, dass die Besucher einen aktiven Bezug zum Land und seinen Leuten finden und nicht nur ein „Ich-war-da“-T-Shirt mitnehmen.
Martin möchte uns einige Mitglieder der Mapuche vorstellen, der indigenen Bevölkerung in diesem Teil Chiles. Die einst gefürchteten Krieger besiegten sowohl die Maya als auch die Konquistadoren und beanspruchten das Land als ihr eigenes. Die gastfreundliche Rosario Colipi lädt uns in ihr Zuhause ein, ein Ruka genanntes Holzhaus mit einem Dach aus einer bambusähnlichen, heimischen Pflanze. Drinnen erzählt sie uns etwas über ihr Leben, zeigt uns, wie sie Brot backt – der Teig wird direkt in die Asche gelegt –, und spielt uns Musikstücke vor. Wir bekommen sogar Gelegenheit, mit ihrem Mann Don Florencio und einigen ihrer Enkel ein hockeyähnliches Spiel zu spielen, bevor wir uns zu einem Mahl zusammensetzen. Das Volk der Mapuche, so Rosario, wird von Träumen geleitet, und ein solcher Traum gebot ihr, ihr Heim für Besucher aus aller Welt zu öffnen. So hält sie die Geister ihrer Ahnen lebendig.
Am nächsten Tag reißt die Wolkendecke auf, und so fahren wir durch die lebhafte Stadt Valdivia zum Strand. Im Ort halten wir kurz, um das frischeste Ceviche (ein traditionelles Fischgericht) zu essen, das ich je bekommen habe, und bummeln über den Fischmarkt.
Zurück auf der Straße folgen wir dem Lauf des immer breiter werdenden Rio Valdivia. Anfangs sehen wir nur kleine Freizeityachten, dann kommen Fischkutter und schließlich riesige Tanker ins Bild, bis sich zum Schluss der Pazifik vor uns erstreckt. Mächtige Wellen verschmelzen in ewigem Reigen, während sich an die Klippen Strandhäuser in allen Formen, Größen und Farben klammern. Wir genießen die Fahrt so sehr, dass wir immer weiter fahren und Ziel und Zeit vergessen. Nach einer Stunde allerdings ist Schluss. Die Straße hört auf und endet vor einem Café über einem Abhang. Dahinter liegt ein weiterer Nationalpark, Oncol. Es bleibt uns nichts, als umzukehren und den Weg zurückzufahren, auf dem wir gekommen sind.
Vor unserer letzten Nacht fahren wir noch einmal zum Vulkan Villarrica, um den Sonnenuntergang zu erleben. Die großartige Natur Chiles hat uns klargemacht, wie klein wir sind. Man kommt vielleicht hierher, um Dinge zu sehen, die man im Leben gesehen haben muss. Aber ein Stück von Chile setzt sich in der Seele fest und lässt einen nicht mehr los.
Text: Anna Muggeridge / Fotos: Rama Knight