Vor 50 Jahren gab der seltene Luce Rotary Coupe sein Debüt. Noch heute verkörpert das Luxusmodell die Kerntugenden von Mazda: wegweisende Technik und ansprechendes Design.
Luce ist das italienische Wort für „Licht“. Und wenn ich sehe, wie sich die exquisiten Linien des Luce Rotary Coupe [R130] im weichen Morgenlicht abzeichnen, verstehe ich, warum Mazda diese Bezeichnung gewählt hat. Eine trügerische Einfachheit charakterisiert die Karosserie. Vom Kühler bis zum Heck spannt sich ein eleganter Bogen, während der Chrombesatz von den ersten zarten Strahlen der aufgehenden Sonne perfekt unterstrichen wird.
Doch der Luce ist mehr als nur hübsch anzusehen. Wie die modernen Modelle von Mazda vermittelt er über die Konturen der Karosserie sowie verspielte Akzente innen wie außen die Faszination der Technologie. 50 Jahre nach seinem Erscheinen im Jahr 1969 ist die Zeit gekommen, etwas mehr über die Geschichte des Luce zu erfahren und herauszufinden, wie er sich das Prädikat „Herr der Straße“ verdient hat.
Die Ur-Limousine kam 1966 auf den Markt und war das unbestrittene Flaggschiff des Mazda Modellangebots. Der Name verweist auf das italienisch inspirierte Aussehen und den starken Einfluss europäischen Designs in der damaligen Autoindustrie. Mazda passte den typischen Stil des italienischen Designstudios Bertone an den heimischen japanischen Markt an, postulierte mit dem Luce aber auch seine Ambitionen, eine internationale Käuferschicht anzusprechen.
Zur gleichen Zeit arbeitete der Hersteller an der Perfektionierung des Kreiskolbenmotors, der bis heute sein Markenzeichen geblieben ist und seine Entschlossenheit verkörpert, innovative Antriebslösungen voranzutreiben. Mit dem Cosmo Sport war das Potenzial des Wankelmotors der Welt bereits 1967 vor Augen gehalten worden.
„Die Tatsache, dass sich die Innenteile des Motors drehen, anstatt sich auf und ab zu bewegen, verleiht dem Luce Rotary Coupe einen einzigartigen Fahrstil.“
Zwei Jahre später vereinte der Luce Rotary Coupe in sich das Aussehen einer Limousine mit der Technik des Cosmo und unterstrich so einen weiteren Vorzug des revolutionären Motors: die in seinem Segment einzigartige technische Raffinesse. Während man bei der Limousine mit Motor und technischem Layout eher konventionelle Pfade beschritt, ging man mit dem Coupé einen radikaleren Weg.
Das lerne ich auf den Landstraßen der nördlichen Niederlande schnell zu schätzen. Wer schon einmal ein Kreiskolbenfahrzeug von Mazda gefahren ist, versteht, was ich meine. Für alle anderen die Erklärung: Weil die Motorteile rotieren, statt sich hin und her zu bewegen, ist dem Coupé ein unverwechselbarer, ganz besonderer Fahrstil eigen.
Sein Motor schnurrt weich und mit einer Mühelosigkeit dahin, die ich von konventionellen Antrieben nicht kenne. Der Zweischeiben-Wankel schickt seine 126 PS – eine stattliche Leistung bei dem Kammervolumen von 1,3 Litern – ausschließlich zu den Vorderrädern. Es war das erste und einzige Mal, dass Mazda bei einem Serienmodell mit Kreiskolbenmotor auf diese Konfiguration setzte.
Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 190 km/h kam der Luce Rotary Coupe wesentlich flotter voran als der Luce Sedan und war dem sportlichen Cosmo leistungsmäßig absolut ebenbürtig. Das Fahrerlebnis indes hat wenig mit den reinen Leistungsdaten zu tun. Ich habe es mit einem ausgereiften Fahrzeug zu tun, das ein kontrolliertes, elegantes Vorankommen ermöglicht. Ich greife den dünnen, hölzernen Rand des Lenkrads instinktiv nur leicht und steuere mit den Fingerspitzen. Mit präzisen Bewegungen meiner linken Hand führe ich den schlanken, aus dem Boden ragenden Schalthebel und lege die vier Vorwärtsgänge ein.
Der Vorderradantrieb sorgt für sicheres, vorhersehbares Handling, während die Aufhängung alles von Bodenschwellen bis hin zu Kopfsteinpflaster mühelos wegsteckt. Typisch für das Modell ist die Kombination aus beeindruckender Performance und dem Gefühl, sich nie beeilen zu müssen, was bestens zum ausgeklügelten Äußeren passt.
Womit wir wieder beim Licht wären. Es spielt eine wichtige Rolle beim Luce – drinnen wie draußen. Das Modell ist nur unwesentlich länger (aber viel schmaler) als der neue Mazda3 und wirkt ausgesprochen voluminös, was es zum Teil dem breiten Schwung der Windschutzscheibe, der niedrigen Gürtellinie und den fehlenden Ausstellfenstern verdankt.
Auch im Innenraum setzt sich der geräumige Eindruck fort. Obwohl eine Klimaanlage zur luxuriösen Ausstattung des Luce zählt, nutze ich die Gelegenheit, alle vier Fenster herunterzufahren. Weil keine B-Säulen vorhanden sind, öffnet sich der Raum dadurch umso mehr.
Freude machen auch etliche liebevolle Details – wie der Luce Rotary Coupe-Schriftzug an den Flanken, der auf dem Armaturenbrett aufgegriffen wird, und das Mazda Logo in der Lenkradmitte, auf dem Schlüssel sowie auf den Radkappen. Es wird von der Drehkolben-Silhouette stilvoll gerahmt und erinnerte die Besitzer stets daran, dass sie etwas Besonderes fuhren.
Nicht, dass sie es je hätten vergessen können. Einen Luce Rotary Coupe zu besitzen war das Privileg einiger weniger Glücklicher, die ihn sich leisten konnten. Denn der Preis war so hoch, dass ein Kauf nur für Wohlhabendere infrage kam. Nichtsdestotrotz legte Mazda Wert darauf, dass auch Normalsterbliche etwas vom Luce hatten. Das Modell stand nicht nur bei den Händlern, sondern zeitweilig in allen großen Kaufhäusern in Japan und war damit ein frühes Beispiel für „Pop-up-Marketing“. So zementierte der Luce seinen Ruf als Flaggschiff der Marke. Er demonstrierte, wozu Mazda imstande war, und inspirierte Ingenieure wie Kunden gleichermaßen.
Heute ist eine Fahrt in einem Luce Rotary Coupe ein noch exklusiveres Vergnügen als damals. Denn angesichts seiner Rarität sind die Chancen, ihn überhaupt zu sehen, schon verschwindend gering – ganz zu schweigen von der Gelegenheit, ihn zu fahren. So fühle ich mich zumindest heute selbst wie ein „Herr der Straße“.
Text: Dan Trent / Fotos: Pim Hendriksen