Mit dem handgearbeiteten Lamy dialog urushi hat Lamy innovative Funktionalität und zeitlose Form mit japanischem Kunsthandwerk vereint. Wir nehmen das zum Anlass, einen Weltmeister des deutschen Designs zu besuchen.
Von edding bis zu Stabilo Schwan, von Montblanc bis hin zu Pelikan und Faber-Castell: Es ist bemerkenswert, wieviele Schreibgeräte mit Weltruhm aus Deutschland stammen, seien sie nun praktische Helfer im Büroalltag, teure Statussymbole, unverwüstliche Erstklässlerfüller oder Künstlermaterialien. Alle haben eine faszinierende Geschichte, aber kein Anbieter hat sich wohl so sehr über sein Design definiert wie Lamy.
Als Geschäftsführer war es der kürzlich verstorbene Manfred Lamy, der die Heidelberger den Grundsätzen des Bauhaus verpflichtete. Hier im Neckartal werden nicht nur neue Produkte erdacht, das Marketing gesteuert und das Unternehmen verwaltet – auch die Herstellung ist hier beheimatet. 95 Prozent aller Fertigungschritte finden im eigenen Haus statt, fast alle Komponenten werden vor Ort hergestellt und durchschnittlich Dreiviertel der Fertigungszeit fließen in die Handarbeit. So begründet Lamy sein Motto „Design. Made in Germany“.
Vom Schreibstift zum Thinking Tool
Es empfängt mich Marco Achenbach, Leiter der Marken- und Produktstrategie bei Lamy. Wie erklärt er sich das scheinbare Paradoxon, dass einerseits Tastatur und Screen immer mehr das Schreiben von Hand ablösen, andererseits aber Lamy von Jahr zu Jahr Zuwächse zu verzeichnen hat?
„Der Grund ist einerseits, dass wir Schreibgeräte inzwischen als ‘Thinking Tools’ denken. Wir beschäftigen uns also mit der Frage, wie man heute und in Zukunft mit einem Instrument, das ich in der Hand halte, Gedanken sichtbar machen kann. Und da hat das Schreiben von Hand weiterhin eine unerreichte Universalität und Unmittelbarkeit. Es wird also immer weiter bestehen und in der Zukunft noch einen ganz anderen Stellenwert erhalten, wenn es ein erschwingliches, funktionales und ansprechendes elektronisches Papier gibt.“
„Außerdem führt das Schreiben in der Hand zu ganz anderen Verknüpfungen im Gehirn. Man lernt, Wörter, Sätze und Sprache als Ganzes zu verstehen. Das gilt auch für logische Zusammenhänge, die man mit einem Stift in der Hand viel schneller und direkter darstellen kann. Letztlich wird auch durch das Erlernen des Schreibens von Hand die Feinmotorik geschult. Und es ist erwiesen, dass sich Inhalte viel besser einprägen, wenn man sie mit der Hand zu Papier bringt.“
Für viele Erwachsene ist das Handschreiben so banal, dass es kaum zu glauben ist, dass es sich hierbei um ein komplexes Zusammenspiel von 30 Muskeln, 17 Gelenken und 12 Hirnarealen handelt. Darum lohnt es sich auch, Kindern von Anfang an Freude am Handschreiben zu vermitteln – Spaß daran zu haben, sich auf einem weißen Blatt Papier auszutoben, dass alle Zeichen, Formen, Wörter und Gedanken erlaubt. Oft ergibt sich aus scheinbar belanglosem Gekrakel der erste Hauch einer Idee.
„Uns geht es darum, ein Produkt zu entwickeln, das seiner Funktion zu hundert Prozent gerecht wird und es dann in eine Form zu bringen, die seine Funktionalität und Materialität sichtbar macht und den Menschen gefällt. Wir lehnen jegliches Dekor oder Details ab, die zur Funktion des Produktes nichts beitragen. Wir setzen Materialien nur in der Form ein, wie sie in ihrer Wirklichkeit vorkommen und vermeiden Materialien, die dem Schein und Status dienen“, so Achenbach.
Wer aber meint, dass Lamy keine sehr exklusive und repräsentative Produkte herstellt, irrt. Gerade der Lamy dialog urushi stellt unter Beweis, dass funktionales Design auch ausgesprochen sinnlich sein kann.
„Der Lamy dialog ist ein kappenloser Füllhalter, also ein technisch innovatives Produkt, das wir mit Urushi-Lack überzogen haben, wobei wir aber traditionelle Motive vermeiden“, so Achenbach.
„Seit Jahrzehnten werden Füllhalter mit Urushi-Lack veredelt – meistens in einem historischen Design. Uns ging es darum, diese Handwerkskunst auf neue Art mit unserem Produkt zu kombinieren. Mit dieser Herausforderung sind wir beim Künstler und Kunsthandwerker Manfred Schmid in Bremen gelandet.“
„Urushi ist das tiefste Schwarz, das man weltweit erzeugen kann“, so Schmid. „Und auch das einzige Schwarz, das nicht mit Pigmenten erzeugt wird. Dadurch ist der Lack transluzent – und je mehr Schichten ich davon auf ein Objekt auftrage, desto mehr Lichtbrechung entsteht und desto tiefer erscheint das Schwarz. Japanlack ist eigentlich, wie die Japaner sagen, in Schichten abgelagerte Dunkelheit.“
Die farblichen Möglichkeiten des Lacks, der nur in sehr kleinen Mengen aus der Rinde des Lackbaums gezapft werden kann, zeigt das Set der Füllhalter, das dem Thema der Vier Jahreszeiten gewidmet ist. In kraftvollem Gold erstrahlt der Sommer – hergestellt vom japanischen Meister Norihiko Ogura – während Herbst, Winter und Frühling sich in Bernstein, Schwarz und Silber kleiden. In jeden einzelnen Füllhalter der auf 33 limitierten Sets flossen mehrere Monate sorgfältigster Arbeit. Mit der Zeit wird der Lack dann immer härter und gleichzeitig angenehmer zu berühren.
Auch Mazda legt bei seinen Lackierungen einen geradezu obsessiven Perfektionismus an den Tag, um eine besondere Tiefe und Brillanz zu erzeugen. Der Farbton Machine Grey zum Beispiel, erweckt den Eindruck, als sei das ganze Fahrzeug aus einem einzigen Stahlblock geformt. Seine Intensität und metallischer Glanz ist einer ausgeklügelten Technik zu verdanken, mithilfe derer winzige lichtabsorbierende und lichtreflektierende Flocken auf einer durchscheinenden Lackschicht Farbe aufgetragen werden. Die pechschwarze Farbschicht darunter lässt Kontraste in einem faszinierenden Spiel von Licht und Schatten besonders deutlich zur Geltung kommen. So wird das Auge nie müde, die ständig changierende Oberfläche zu betrachten.
Gibt es also eine besondere Affinität zwischen Lamy und Japan, hat doch Naoto Fukasawa schon vor einiger Zeit den Kugelschreiber Lamy Noto entworfen?
„Es gibt keine Intention, sich auf japanische Ästhetik hinzubewegen. Aber dass unsere Produkte auch so vielen Menschen in Japan gefallen, ist begründet in der japanischen Kultur, die ja auch aufgeräumt, klar und reduziert ist“, sagt Achenbach.
Auf dieser Klarheit gründet sich auch der anhaltende Erfolg des Unternehmens: „Unser Wachstum ist der Umsetzung und Beibehaltung einer Produktphilosophie geschuldet, die immer klar und nachvollziehbar geblieben ist. Diese Kontinuität ist ein Anker für die Menschen und schafft Vertrauen. Wir versuchen nicht, uns einem Zeitgeist anzubiedern. Und das macht unser Design letzten Endes auch nachhaltig.“